„Wann gehen wir endlich auf die Jagd?“
Am 11. Juli 2025 ist es so weit, dann feiert das neueste Stück der Nibelungen-Festspiele, „See aus Asche“ aus der Feder von Roland Schimmelpfennig seine Premiere. Zuvor heißt das für das Ensemble vor und hinter den Kulissen erst einmal fleißig proben und damit begann man am 28. Mai 2025.
Am Anfang steht die Leseprobe. Wie in jedem Jahr versammelten sich Schauspieler, Autor, Regisseurin und Crew Mitglieder, um unter den Augen der Presse, erstmals gemeinsam den Text zu lesen. Zugleich markiert dieser Tag auch der Probestart. Insgesamt stehen den Team sechs Wochen zur Verfügung, um das rund zweieinhalbstündige Stück auf die Bühne zu bringen. Zudem gewährte das Kreativteam bei diesem Probestart einen Blick auf das Bühnenbild und die Kostümentwürfe. In einer Tischvitrine hatte die Bühnenbildnerin Andrea Wagner ein vereinzelt mit Legobausteinen zusammengesetztes Modell platziert. Neben Nordportal des Wormser Doms stechen vor allem die mächtigen Sanddünen hervor. Links ist eine Videowand installiert, die wiederum von Plastikstühlen sozusagen umringt wird. Als Zentrum findet sich in den Sanddünen ein See, befüllt mit grünem Wasser. Wie erste Videos bei Facebook zeigten, darf dieser wohl auch brennen.
„Wir erzählen das ganze Ding“
Das Herzstück dieses Vormittags war jedoch ein erster gelesener Eindruck des Stückes, das von dem renommierten und vielgespielte Dramatiker Roland Schimmelpfennig verfasst wurde. Damit natürlich auch die Presse nicht die Spannung für die bevorstehende Uraufführung genommen wird und das Ensemble von blitzenden Fotoapparaten und surrenden Kameras nicht abgelenkt werden, war bereits nach 15 Minuten wieder Schluss. Zuvor erklärte Regisseurin Mina Salehpour, dass sie eine große Freude verspüre, nun in Worms aufgewacht zu sein und versprach Presse und Ensemble mit Blick auf den Autor Roland Schimmelpfennig, dass man in diesem Jahr „das ganze Ding“ erzählen würde. Soll heißen: „Wir beginnen mit der Tötung des Drachen und enden im Showdown in Etzels Halle. Das war seine Idee, nicht meine.“ Dennoch sollte man keine märchenhafte Nacherzählung erwarten. Vielmehr dürften Schimmelpfennigs Nibelungen doch ein wenig abstrahierter daherkommen, wie beispielsweise Salehpours Hinweis auf die Rolle des Lindenblatts verriet, das von Lisa Natalie Arnold gespielt wird. Oder auch Jasmin Tabatabai, die eine Doppelrolle als Drachen und Brunhild innehat. „Was soll da schiefgehen?“ fragt die Regisseurin charmant lächelnd und beschrieb spontan eine Szene, in der das Blatt im Bikini ein Blutbad nimmt und ein Schlückchen Prosecco dazu. Na, Prost!
Der Mann mit den blutigen Fingern
Sodann folgte auch schon der Einstieg in Schimmelpfennigs Nibelungenuniversum und der erfolgt mit einem Bild aus Worten, gelesen von Andreas Grötzinger, der den Spielmann Volker gelesen. Es ist das Bild eines Geigers („Die Geige hat nur noch zwei Seiten, die anderen zwei sind gerissen, oder sind es drei…“). Die Geschichte mit dem Geiger, der spielt, „als wäre er der Tod“ geht weiter. „Aus seinem Spiel, aus seinem Lied, wird eine Frau, ein Mann, ein Kind, ein Schwert“, liest Grötzinger. Der Ton wird rauer, die Stimmung bedrückender. „Feuer. Kurze Pause“, sind Schimmelpfennigs knappe Anweisungen im Manuskript und dann: „Der Mann mit den blutigen Fingern, oder der Mann ohne Hände spielt und spielt, die Saite hat ihm die Wange bis auf den Knochen aufgeschnitten“, liest Grötzinger atemlos. „Ein Mann hebt ein Schwert und schlägt einem Kind den Kopf ab, der Kopf des Jungen rollt über den Boden“, liest Grötzinger ehe er mit den Worten schließt: „Hier endet das Lied, aber das Lied des Geigers endet nie (…)“.
Nur eine Geschichte
In der anschließenden Szene weitet sich der Monolog zu einem Dialog in gemütlicher Burgunderrunde aus. Gunter, Giselher, Hagen sowie Siegfried, der sich bereits am Hof aufhält, lauschen Volker. Das Lied des Geigers zeigt sich als Erzählung Volkers in trauter Runde. Giselher ist begeistert: „Weiter, weiter, spiel weiter, Volker, wie gerne wäre ich selbst ein Teil deines Liedes.“ Auch Gunter gefällt das Lied und fordert mehr: „Sing weiter von jener Königin hoch im Norden, wie gerne wäre ich der Mann an ihrer Seite.“ Diesen Frohsinn teilt Hagen (Wolfram Koch) so gar nicht und raunt in die Runde: „Wann gehen wir endlich auf die Jagd? Ich will jagen, ich will nicht länger in dieser dunklen Halle rumsitzen.“ Beschrieben wird er in dem Manuskript als großer, starker Mann mit grauschwarzem Haar und nur einem Auge. Siegfried, in gebrochenem Deutsch gelesen von dem norwegischen Schauspieler Eivin Nilsen Salthe, wirft gelangweilt ein: „Hagen mag lieber den Schatten als das Licht, denn sein Vater war ein Geist der Dunkelheit, aber das weiß der Tronjer nicht, Hagen hat seinen Vater nie gekannt, der Tronjer ist ein Bastard.“
Die Besetzung
Für die Besetzung hat das künstlerische Team einmal mehr eine Besetzung aus renommierten Film, Fernsehen- und Theaterdarstellern zusammengeführt. Ganz oben auf der Darstellerliste steht ein Name, den schon einmal bei den Nibelungen-Festspielen zu Gast war. So kehrt in diesem Jahr die Schauspielerin und Sängerin JASMIN TABATABAI (57) auf die Bühne am Dom zurück. Die Deutsch-Iranerin spielte bereits 2006 und 2007 in Worms unter der Regie des mittlerweile verstorbenen Dieter Wedel. Damlas übernahm sie die Rolle der Kriemhild in „Siegfrieds Frauen“ und „Die letzten Tage von Burgund“. 2023 kehrte sie mit ihrem Konzertprogramm zu den Festspielen zurück. Nun spielt sie wieder im großen Hauptstück mit. Wie oben bereits erwähnt in einer Doppelfunktion als Drache und Brunhild. Den Durchbruch als Schauspielerin schaffte Tabatabai 1997 in dem erfolgreichen Kinofilm „Bandits“. Seitdem wechselt sie immer wieder erfolgreich zwischen Theaterbühne und Kamera. Zuletzt spielte sie vor der Kamera öfter auch die Rolle der Staatsanwältin Sara Taghavi im „Tatort“ (Berlin).
Aus dieser Reihe dürften viele auch Schauspieler Wolfram Koch (63) kennen. In unterschiedlichsten Rollen lieh er in zahllosen „Tatort“ Episoden den Figuren sein Gesicht und seine Stimme. So beliebt wie er offenbar bei den „Tatort“ Produzenten ist, so beliebt ist er aber auch in der Theaterszene. So folgten Engagements an renommierten Häusern wie dem Schauspiel Frankfurt, dem Wiener Burgtheater, der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und dem Deutschen Theater in Berlin und nun Worms. Mit dabei ist in diesem Jahr auch eine echte Kriemhild, nämlich die Schauspielerin Kriemhild Hamann. Die 28-jährige Hamann spielte in den vergangenen Jahren hauptsächlich am Staatsschauspiel Dresden, wo sie bereits mit der Regisseurin von „See aus Asche“, Mina Salehpour, zusammenarbeitete. Dort dürfte sie auch schon Hans-Werner Leupelt begegnet sein, da auch er ein festes Ensemblemitglied in Dresden ist und mit der Regisseurin zusammenarbeitete.
Der 1974 in Göteborg geborene Schauspieler Andreas Grötzinger dürfte – ähnlich wie Koch krimiinteressierten Zuschauern aus zahlreichen TV-Krimis bekannt vorkommen. So spielte er zuletzt in TV-Reihen wie „Der Flensburg-Krimi“, „Großstadtrevier“ oder „Notruf Hafenkante“. Eivin Nilsen Salthe ist norwegischer Schauspieler und dürfte bisher einem deutschen Publikum eher unbekannt sein. Mit der Regisseurin Salehpour verbindet ihn wiederum eine Zusammenarbeit auf norwegischen Theaterbühnen. Dort spielte er in einer Aufführung des Stücks „Tschick“, basierend auf dem Roman von Wolfgang Herrndorf, unter Salehpours Regie. Welche Rolle schließlich die Darsteller in dem von Roland Schimmelpfennig verfassten Stück übernehmen werden, dieses Geheimnis wird schließlich am 8. April 2025 gelüftet (wir berichten).
Die Nibelungen-Festspiele finden in der Zeit vom 11. Juli bis 27. Juli statt
Weitere Informationen zu dem Stück und den Nibelungen-Fesspielen finden Sie hier: www.nibelungenfestspiele.de
Text: Dennis Dirigo Fotos: Andreas Stumpf